• 30. Mai 2017 · 15:43 Uhr

Weibliche Formel 1: Nicht das Geschlecht, die Kompetenz zählt

Noch immer sind Frauen im Motorsport unterrepräsentiert, doch das soll sich ändern: Susie Wolff, Claire Williams und Co. wollen die Formel 1 noch weiblicher machen

(Motorsport-Total.com) - Fast acht Jahre ist es her, dass mit der FIA-Kommission der Frauen (Women in Motorsport Commission oder kurz WMC) ein Organ ins Leben gerufen wurde, um die Rolle der Frau im Motorsport zu stärken und in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Im Dezember 2009 beschloss FIA-Präsident Jean Todt die Gründung und machte Ex-Rallye-Pilotin Michele Mouton zur Vorsitzenden. Seitdem hat sich viel getan.

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Monisha Kaltenborn, Michele Mouton, Claire Williams wollen Frauen fördern Zoom Download

"Seit die Kommission ins Leben gerufen wurde, ist ein sehr starkes Netzwerk rund um den Globus entstanden. Wir haben 76 nationale Repräsentanten, die direkt mit uns zusammenarbeiten", freut sich Mouton über den Fortschritt. Man sei in allen Disziplinen präsenter geworden und im aktiven Rennsport mit mehreren Fahrerinnen vertreten: "Wir haben zwei offizielle Fahrerinnen in der Rallye, zwei weitere im Kartsport. Die Serie ist lang, sie reicht bis zu Tatiana in der Formel 1."

Die Kolumbianerin Tatiana Calderon wurde jüngst in das Vorbereitungsprogramm von Sauber aufgenommen und als neue Entwicklungsfahrerin verpflichtet. Das Ziel der 23-Jährigen ist ein Formel-1-Renncockpit. Negative Reaktionen auf ihre Karriere im Motorsport kenne sie nicht: "Ich bin immer unterstützt worden, von meiner Familie und auch in meiner Heimat. Man hat mich nie anders behandelt, nur weil ich eine Frau bin."

Claire Williams bemerkt gestiegenen Frauenanteil

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Susie Wolff (links) und Marta Garcia (2. v. r.) saßen oder sitzen selbst am Steuer Zoom Download

Mittlerweile gebe es viele "inspirierende Frauen" im Motorsport, die anderen den Weg ebnen, betont die Kolumbianerin. Zu ihnen zählt auch Monisha Kaltenborn, die Calderons Aufnahme ins Sauber-Team als dessen Chefin mitverantwortete. "Frauen haben die Kompetenz, sie haben die Fähigkeiten und Abschlüsse, sie haben alles, was man braucht. Unsere Aufgabe ist es, dies zu fördern und talentierten Menschen eine Chance zu geben", betont Kaltenborn.

"Als erstes schaut man sich immer die Person an. Man will die beste Kraft, die man kriegen kann. Und es passiert nicht selten, dass es sich dabei um eine Frau handelt", sagt sie weiter. Ihre Formel-1-Kollegin Claire Williams, Co-Teamchefin beim gleichnamigen britischen Rennstall, sieht ebenfalls einen Aufwärtstrend: "Die Zahl der Frauen in unseren Reihen ist noch immer relativ gering. Aber in den letzten fünf Jahren hat es einen Wandel gegeben."

Demnach drängen mehr und mehr Frauen in die Formel 1 vor, und das über verschiedenste Disziplinen verteilt. "Ich denke, das ist auch Ergebnis der Arbeit, die die Teams und die FIA unternehmen, um die Formel 1 als vielfältige Plattform zu promoten, auf der Frauen willkommen sind", lobt Williams, weiß aber zugleich, dass es noch viel zu tun gibt. So müsse die Rennserie als ein mögliches Karriereziel noch aktiver und früher platziert werden.

Frühe Förderung von Mädchen in "Formel-1-Schulen"

Williams denkt dabei nicht nur an Studenten, sondern den kompletten Bildungsweg von der Grundschule über die Sekundarstufe bis zur Universität. "Williams ist in diesem Bereich sehr aktiv", erklärt die Co-Teamchefin. "Wir haben so viele verschiedene Akademien. So viele verschiedene Ingenieurspreise. Und tatsächlich beobachten wir, dass sich mehr Frauen für die Positionen in den Akademien bewerben. Das ist fantastisch."


Fotostrecke: Frauen erobern die Formel 1

Auch Kate Beavan betont, dass man nicht früh damit anfangen kann, Kinder und Jugendliche für den Motorsport zu begeistern. Genau dafür setzt sie sich im Rahmen des Projekts "Formel 1 in Schulen" ein. Dabei handelt es sich um einen internationalen, multidisziplinären Technologiewettbewerb, bei dem Schüler einen Formel-1-Rennwagen im Miniaturformat nachbilden. "Die Formel-1-Schulen waren unglaublich erfolglos. Es ist ein weltweiter Wettkampf", so Beavan.

Was sie besonders freut: "Es zieht unverhältnismäßig viele Mädchen an. Das ist eine extrem positive Botschaft. Das Interesse der Mädchen für Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik wird geweckt. Das ist der beste Weg, um Talente für die Zukunft zu finden." Talente wie Francesca Venturi, die bei Ferrari Chassis designt. Sie glaubt, dass Frauen nichts davon abhält, auch technischere Berufe zu ergreifen, solange sie genug Leidenschaft und Ehrgeiz mitbringen.

Leidenschaft verbindet: Keine Probleme mit männlichen Kollegen

"Ich war schon immer fasziniert von Motoren und Autos. Deshalb habe ich mich für ein Studium entschieden und bin Ingenieurin geworden", sagt Venturi, die sich unter ihren vornehmlich männlichen Kollegen wohlfühlt. Denn egal, ob Mann oder Frau, in ihrer Abteilung teilen alle Mitarbeiter eine Leidenschaft, die sie verbindet: "Wir arbeiten dafür, ein schnelles Auto zu designen und zu bauen - und das ist das Wichtigste."

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Michele Mouton gilt als die erfolgreichste Rallyefahrerin der Motorsportgeschichte Zoom Download

Dass das Geschlecht zur Nebensache wird, wenn man es einmal in den Rennsport geschafft hat, bestätigen auch andere Frauen. Sylvia Bella, die als FIA-Kommissar arbeitet, merkt keinen Unterschied der Fahrer im Umgang mit ihr: "Ehrlich gesagt sind sie sehr fair. Ihnen ist egal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Anfangs waren sie schon überrascht, weil Frauen in dieser Position selten sind. Aber sie haben sich schnell daran gewöhnt."

Ähnlich schildert es Formel-4-Fahrerin Marta Garcia, die im Alter von neun Jahren mit den Rennsport begann. Damals, so erinnert sie sich, sei es noch etwas schwieriger gewesen mit den männlichen Kollegen. Heutzutage aber gebe es keine Probleme: "Wenn wir die Helme aufsetzen, sind wir alle gleich. Zu Beginn war es noch schwerer, weil sie Männer und nicht Frauen in ihren Autos wollten. Mit der Zeit haben wir uns ihren Respekt verdient und jetzt ist es okay."

Susie Wolff: "Dieser Sport ist nicht nur was für Jungs"

Doch der Weg bis dorthin scheint für viele Frauen noch zu steinig. Die FIA-Kommission der Frauen und ihre Mitglieder wollen das ändern, darunter auch Susie Wolff. Die ehemalige DTM-Pilotin und Testfahrerin bei Williams dient vielen als Beispiel dafür, dass es auch eine Frau im Motorsport schaffen kann, gibt sich selbst jedoch bescheiden: "Ich hatte eine tolle Karriere. Zwar konnte ich nicht alle meine Ziele erreichen, aber für mich ging es eher um den Willen, etwas zu erreichen."

Mit ihrer Initiative "Dare to be different" will sie junge, motorsportbegeisterte Frauen zusammenbringen und fördern. "Dabei geht es nicht darum, das nächste weibliche Supertalent zu finden, sondern all die verschiedenen Bereiche zugänglich zu machen, die der Sport zu bieten hat, und mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass er nur etwas für Jungs ist", beschreibt Wolff das Projekt, das bisher nur in Großbritannien aktiv ist.

Wichtig sei es, Verständnis dafür zu schaffen, "dass es am Ende des Tages nicht wichtig ist, welches Geschlecht man hat, solange man seine Leistung erbringt". Genau das unterstreicht auch die Kommissionsvorsitzende Mouton: "Es ist eine Frage der Kompetenz und nicht des Geschlechts. Diesbezüglich machen wir Fortschritte." Noch sei die Basis der Frauen im Motorsport verhältnismäßig klein und es brauche Zeit, sie weiter aufzubauen.

Wird das gelingen, kann auch die Formel 1 profitieren. So bringt es Lucia Pennesi, Marketingverantwortliche bei Ferrari, auf den Punkt: "Es geht nicht wirklich um Männer und Frauen. Es geht vielmehr um die Vielfalt. Eine vielfältige Umgebung garantiert dir verschiedene Blickpunkte und Herangehensweisen an Probleme. Ich glaube, dass Frauen starke Führungspersönlichkeiten sind, manchmal stärker als Männer, und diesen Sport bereichern können."

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